Es gibt Stimmen, die behaupten, dass er rausgeworfen wurde,
aber wir glauben lieber diese ehrenvollere Version der Geschichte: Irgendwann
wurde es Erik dem Roten in Island einfach zu voll. Er überredete ein paar
andere Wikinger dazu, sich in Grönland nieder zu lassen. Hier ist es, und das
gilt auch heute noch, definitiv nicht zu voll. In Narsaq, wo er sich damals
Hütten baute, wohnen heute rund 50 Menschen auf praktisch unbegrenztem Platz.
Man stellt sich Wikinger gewaltig groß, stark und mächtig vor.
Furchteinflößend. Gewohnt haben sie allerdings in niedrigen, von Moos und Gras
bedeckten Hobbithütten und man wundert sich, warum Peter Jackson nicht hier den
Herrn der Ringe gedreht hat. Er hätte nichts verändern müssen. Um in eine Hütte
zu gelangen, kriecht man einen langen, etwa einen Meter hohen Gang entlang,
aber wer weiß, vielleicht konnten die Wikinger ihn damals aufrecht entlang
schreiten. Man hat uns keine Skelette zur Überprüfung der Körpergröße zur Verfügung
gestellt. Nach einer langen Reise kam eines Tages Leif Erikson, der Sohn Eriks
des Roten, mit dem Schiff heim ins Hobbitland und war Christ geworden. Der
dänische König hatte ihn eingeladen, ein paar Monate mit ihm abzuhängen. Das
war damals ein Angebot, das man unmöglich ausschlagen konnte. Da der König
jedoch jeden einen Kopf kürzer zu machte pflegte, der sich nicht taufen ließ, ersparte
sich Leif den Ärger und wurde Christ. Christsein verpflichtet, also
missionierte er auch Mutter Tjodhildur. Nur bei seinem Vater, Erik dem Roten,
der auf Regeln pfiff, kam er bei diesem Thema nicht recht weiter. Bis sich bei
einem der regelmäßigen großen Besäufnisse in der kleinen Hütte Tjodhildur im
Schlafzimmer einschloss. Erik dürfe erst wieder bei ihr schlafen, wenn auch er
sich taufen ließe, richtete sie durch die geschlossene Holztür aus. Erik, der
für eine beliebige Anzahl an Nächten jede andere Wikingerin hätte haben können,
überlegte kurz. Aber er liebte seine Tjodhildur doch sehr. Heute sind 98
Prozent der Grönländer evangelisch. Und dass, obwohl die Wikingerkultur
ausstarb und die heutige Bevölkerung praktisch nichts mehr mit ihr zu tun hat –
außer, dass sie Touristen Geschichten wie diese erzählt.
Ja, Bochum ist das Paradies auf Erden.
Solange wir nicht nach London, Paris oder Tokyo ziehen, bleiben wir dabei.
Donnerstag, 9. Januar 2014
Robbenfell, Alkohol und Selbstmord
Was ist das Leben? Was macht es lebenswert? Reicht es, in einem Iglu zu hocken, Walfett zu lutschen und sich aneinander zu wärmen unter den Robbenfellen, die in der Manufaktur von Great Greenland in Qaqortoq mit Chemikalien behandelt wurden, damit schön
glatt, weich, flauschig und haltbar sind? Die Chemikalien leitet Great
Greenland ins Meer, das ungewöhnlich blau schimmert. Aber nur noch zwei Jahre
lang, dann wird Umweltschutz in Grönland größer geschrieben. Vielleicht insgesamt
aber doch kleiner oder ungefähr genauso groß, denn es könnte sein, dass man auf
der größten Insel der Welt anfängt, nach seltenen Erden zu graben. Wo man dies
macht, ist die Landschaft für immer im Eimer und zwar komplett, sagen
Umweltschützer. Aber wir brauchen eine Beschäftigung für unsere Einwohner,
gerade für die Jungen, sagen Verfechter der unwahrscheinlichen Tatsache, dass
sich auf Grönland menschliche Zivilisation gebildet hat. Die Arbeitslosigkeit
liegt in dieser offiziell bei zehn Prozent, in Wirklichkeit aber wohl bei 15
bis 18 Prozent. Beliebt sind Alkohol und Selbstmord. Ersterer ist zwar
unfassbar teuer (eine Flasche Bier im Supermarkt liegt bei 2,50 Euro, Wein ist
ab 15 Euro zu haben, schlechter Whiskey ab knapp 100 Euro), direkt nach dem
Zahltag alle zwei Wochen aber erschwinglich – was allerdings oft auf Kosten der
Familie der Alkoholbenutzer geht. Dass Robbenjäger relativ viel Geld für ein
Robbenfell bekommen, obwohl dies auch behandelt nur noch schwer abzusetzen ist,
ist ein „social service“. So wie die neuen Minen für seltenen Erden einer
wären. Mit den seltenen Erden werden dann in China schlaue Mobiltelefone
gebaut, mit denen die Grönländer ins Internet gehen und sich zum Beispiel den
Wetterbericht anschauen können (-30 Grad, Schneefall) oder was in europäischen
Städten so los ist. Dorthin zu reisen ist immerhin verhältnismäßig günstiger,
als mit dem Boot in die nächste Siedlung zu reisen. Das ist allerdings wiederum
manchmal unerlässlich, weil nicht jede der kleinen „Städte“ genannten Menschenansammlungen auf Grönland einen Flughafen hat.
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