Donnerstag, 9. Januar 2014

Robbenfell, Alkohol und Selbstmord

Was ist das Leben? Was macht es lebenswert? Reicht es, in einem Iglu zu hocken, Walfett zu lutschen und sich aneinander zu wärmen unter den Robbenfellen, die in der Manufaktur von Great Greenland in Qaqortoq mit Chemikalien behandelt wurden, damit schön glatt, weich, flauschig und haltbar sind? Die Chemikalien leitet Great Greenland ins Meer, das ungewöhnlich blau schimmert. Aber nur noch zwei Jahre lang, dann wird Umweltschutz in Grönland größer geschrieben. Vielleicht insgesamt aber doch kleiner oder ungefähr genauso groß, denn es könnte sein, dass man auf der größten Insel der Welt anfängt, nach seltenen Erden zu graben. Wo man dies macht, ist die Landschaft für immer im Eimer und zwar komplett, sagen Umweltschützer. Aber wir brauchen eine Beschäftigung für unsere Einwohner, gerade für die Jungen, sagen Verfechter der unwahrscheinlichen Tatsache, dass sich auf Grönland menschliche Zivilisation gebildet hat. Die Arbeitslosigkeit liegt in dieser offiziell bei zehn Prozent, in Wirklichkeit aber wohl bei 15 bis 18 Prozent. Beliebt sind Alkohol und Selbstmord. Ersterer ist zwar unfassbar teuer (eine Flasche Bier im Supermarkt liegt bei 2,50 Euro, Wein ist ab 15 Euro zu haben, schlechter Whiskey ab knapp 100 Euro), direkt nach dem Zahltag alle zwei Wochen aber erschwinglich – was allerdings oft auf Kosten der Familie der Alkoholbenutzer geht. Dass Robbenjäger relativ viel Geld für ein Robbenfell bekommen, obwohl dies auch behandelt nur noch schwer abzusetzen ist, ist ein „social service“. So wie die neuen Minen für seltenen Erden einer wären. Mit den seltenen Erden werden dann in China schlaue Mobiltelefone gebaut, mit denen die Grönländer ins Internet gehen und sich zum Beispiel den Wetterbericht anschauen können (-30 Grad, Schneefall) oder was in europäischen Städten so los ist. Dorthin zu reisen ist immerhin verhältnismäßig günstiger, als mit dem Boot in die nächste Siedlung zu reisen. Das ist allerdings wiederum manchmal unerlässlich, weil nicht jede der kleinen „Städte“ genannten Menschenansammlungen auf Grönland einen Flughafen hat.

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