Mittwoch, 26. Januar 2011

Ich blogge

Nein. Ich kann nicht behaupten, man hätte mich nicht gewarnt. Während ich in meiner schönen, ruhigen, innenstadtnahen Loftwohnung sitze und Hustinettenbären von Aldi mit Glenmorangie vom Scotch-Fachhändler herunterspüle, fallen mir die Worte des befreundeten Singer/Songwriters ein: "Hör auf meine Worte: Schreib auf gar keinen Fall einen Blog! Wie kommst du überhaupt auf so eine bescheuerte Idee? Das macht mich jetzt fast ein bisschen wütend!"
"Warum denn?"
"Weil das dann doch auch Leute lesen müssen."
"Naja, das MUSS ja keiner lesen."
"Aber du wirst natürlich all deinen Freunden von dem Blog erzählen und dann immer fragen, ob sie es gelesen haben und wenn nicht, dann bist du sauer. Dadurch fühlen sie sich verpflichtet, halten irgendwann den Druck nicht mehr aus und gehen dir schlussendlich aus dem Weg."
Der Singer/Songwriter hielt einen Blog also für eine Freunschaftsvernichtungsmaschine. "Außerdem", sagte er, "wird doch wahrlich schon genug geschrieben. Da ist jedes Wort, das ungeschrieben bleibt, ein Segen."
Da hatte er einen wunden Punkt getroffen: Exakt dieser Meinung war ich nämlich ungefähr auch. Aber ich wollte mich doch auch äußern, so ganz frei heraus. Zu Themen, die mir unter den Fingernägeln jucken.
"Das ist genau das Problem, Max", klärte mich Ulrich auf.
Ulrich ist eine echte Kapazität auf unglaublich vielen Gebieten. Deshalb zucke ich aus Gewohnheit immer erstmal zusammen, wenn er so etwas, wenn er irgendetwas sagt. Ich schlucke übertrieben laut, werde rot und kann vor Nervosität nicht mehr nachdenken. Sondern nur noch blöde Fragen stellen: "Äh, was ist das Problem?"
"Dass du denkst, du kannst da frei heraus schreiben. Wenn du willst, dass der Blog gelesen wird, musst du überall und mit jedem vernetzt sein, auf den wichtigen Blogs der Region verlinkt. Da müssen interessante Themen her, cool aufbereitet, irgendwie anders. Niemand darf sich langweilen, niemand auf den Schlips getreten fühlen. Einen Blog schreiben ist wie das Korsett noch enger schnallen. Und wen interessiert schon, was dir unter den Nägeln brennt? Ich würde dir stark davon abraten, überhaupt anzufangen! Mensch Max! Aber muss du wissen..."
Aber woher um alles in der Welt sollte ich das jetzt noch wissen? Mein Selbstvertrauen war dahin. Ich hatte Angst.
"Angst muss man sich immer stellen. Es gibt nämlich gar keine Angst. Zumindest nicht als etwas negatives", riet mir der Singer/Songwriter kryptisch. Innerhalb von nur sieben Tagen und Nächten kreierte ich also einen Blog, schrieb einen ersten Eintrag und holte Meinungen ein.
"Ist doch cool", fand ein Bekannter aus dem Theaterbereich. "Allerdings habe ich keine Ahnung, was ein Blog ist. Früher hätte man das Kurzgeschichte genannt."
"Du hast was??", fragte meine Mutter entgeistert.
"Ich habe mir eine Waschmaschine gekauft, damit ich endlich unabhängig bin", entgegnete ich. "Aber wie findest du meinen Blog?"
"Ja, ganz witzig, aber verstanden habe ich nichts."
Der Singer/Songwriter hatte ihn nicht gelesen. Ulrich schaute nur eine Zeitlang arrogant, als ich ihn darauf ansprach. Tommi und Sebi fragten mich, ob das denn wirklich so gewesen sei. Martina fand: "Schöner Text - aber so typisch." Und nur Karl, mein bester Freund auf Erden, ermutigte mich schließlich: "Worüber man sich früher unterhalten hat, blogt man heute. Und mit dir konnte ich mich immer gut unterhalten."
Ich machte also weiter. Entgegen aller Widerstände. Bloggen als Selbstbehauptung in einer feindlichen Umwelt. "Falls du an meiner ehrlichen Meinung interessiert bist", schreibt mir gerade Rolf im Facebook-Chat, "dein erster Eintrag war wirklich richtig gut, aber danach kam erstmal nichts. Wohl Ladehemmung. Und dann ging es ungebremst bergab." Ich mag den Winter.

1 Kommentar:

  1. Ja, das ist ja höchst interessant. Du hast also eine Waschmaschine gekauft! Wo hast Du die denn untergebracht? Auf der Toilette, wo junge Französinnen immer die deutsche Nationalhymne pfeifen? Kannst Du damit schon umgehen, oder muss die Mutter kommen, was natürlich die erstrebte Unabhängigkeit dann wieder relativieren würde. Ach ja, bei Deiner Aufzählung anderer lebenswerten Städte neben Bochum hast Du natürlich Leipzig vergessen, was ich hiermit ergänzen möchte. Im übrigen erlaube ich mir zum Trost für alle Bochumer darauf hinzuweisen: Woanders ist auch Scheiße (Goosen). Aber in Leipzig wacht man wenigstens mitten in der Nacht mal auf, um die Ehre zu genießen, der Sternstunde Deiner Bloggeschichte als einer der erstern Konsumenten beizuwohnen. Wer ist nur dieser Tobalo, der mir da zuvorgekommen ist?

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