Montag, 7. Februar 2011

Das Mixtape-Problem

In diesen Tagen noch ein Mixtape aufzunehmen, ist wahrlich kein Zuckerschlecken. So viele Fragen zu klären. So viel Technik, wo es doch eigentlich um die Musik gehen sollte. Tatsächlich ein Tape aufzunehmen wäre natürlich völlig aus der Zeit gefallen, nahezu weltfremd. Kassettenrekorder führen schon seit vielen Jahren ein Schattendasein. Sie finden sich noch nicht einmal mehr in Autos, sondern höchstens noch in den Betten von nostalgischen jungen Erwachsenen, die zum Einschlafen gern Die Drei ??? hören oder TKKG. Auch mein Autoradio kann mit Kassetten nicht mehr umgehen. Also nehmen ich Mix-CDs auf. Das lief bisher immer so ab: Wenn ich das Gefühl hatte, mit den Lieblingsliedern aus der jünsten Vergangenheit 80 Minuten füllen zu können, speicherte ich eben diese Lieblingslieder von CDs auf meine Festplatte und brannte sie in einer sinnvollen Ordnung auf einen Silberling. Mittlerweile ist auch das ein typisches Dinosaurierverhalten. Man muss nur mal offen einen Diskman mit sich herumtragen - etwa im Regionalexpress von Bochum nach Düsseldorf -, um zu wissen, was ich meine. Kaum jemand kann derart abfällige Blicke ertragen. Heute kann ein anständiges Autoradio auch USB-Sticks oder angeschlossene MP3-Player abspielen. Der Entscheidung, eine Mix-CD zu brennen, ist das nostalgische Element also praktisch nicht mehr zu nehmen. Es gibt nur zwei halbwegs nachvollziehbare Argumentationen:
1. Das Autoradio kann doch noch nicht USB. Ist bei mir leider nicht der Fall.
2. Man bekennt sich offen zum Medium CD und seinen Eigenschaften. Das tue ich als Anhänger des Albumformats. 80 Minuten sind eine nahezu perfekte Länge für eine Kompilation, ähnlich den 90 Minuten des klassischen Mix-Tapes.
Einen halben Tag dauert es trotzdem, bis ich mich zu der Entscheidung durchringe, eine CD aufzunehmen. Den restlichen halben Tag, sie zusammenzustellen: Mit Erschrecken muss ich feststellen, dass die meisten meiner Lieblingslieder in den unterschiedlichsten Formaten auf meiner Festplatte existieren, das historische Programm, mit dem ich meine Mix-CDs zusammenstelle, jedoch nur MP3 kennt. Es geht also ans Konvertieren. Verschiedenste Programme müssen dazu heruntergeladen werden. Der anspruchsvollste Teil: Die ersten drei Minuten eines Keith-Jarrett-Solokonzerts, das ich nur auf DVD besitze. Ein DVD Audio Ripper ist sehr schwer zu finden und er rippt natürlich das ganze Kapitel in eine Datei. Also ein Schnittprogramm herunterladen, das den fertigen Schnitt als WAV-Datei mit 32Bit und 48000Hz ausspuckt. Wieder konvertieren. Am Ende habe ich etwa 100 Minuten Musik. Also doch lieber einen Ordner auf dem USB-Stick anlegen? Nein, das ist nicht wertig genug. Entscheidungen müssen her. Wirklich zwei Tom-Liwa-Songs? Klar, wie immer. Wirklich schon wieder Distelmeyer auf einen Mix? Auch hierzu ein klares Ja. Aber muss die 10-minütige, rare Pearl-Jam-Single wirklich mit? Eigentlich schon, weil ich sie im Auto so schön laut hören könnte, was in der Wohnung dank irrsinniger Nachbarn unmöglich ist. Und dann habe ich ja auch noch Seu Jorge wiederentdeckt. "Carolina" - war für ein toller Song! Belle & Sebastian muss endlich mal mit, Jim Sullivan fand ich nach der Empfehlung von Jan Wigger auch sehr hörenswert, KORT macht gute Laune, Joanna Newsom ist einfach zu süß, um sie zu löschen, John Grant ist immerhin Klauspeters Album des Jahres und Iron & Wine rocken perfekt aus der Platte raus. Jetzt sag ich schon Platte. Eigentlich müssten von Platte auch noch Titel auf die Mix-CD. Aber wenn ich das versuche, werd ich endgültig bekloppt. Wo ist überhaupt ein Rohling? Ich dachte, ich hätte noch einen. Einen allerletzten. Gleich ist es soweit: Ich ergebe mich. Es gibt kein Mixtape mehr. Auch nicht auf CD. Diese Zeiten sind endültig vorbei.

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